24.5.2013, 15 Uhr

Akademie der Künste trauert um Henning Rischbieter

Henning Rischbieter, Foto Inge Zimmermann

Henning Rischbieters Lebenswerk war die Gründung der Zeitschrift „Theater heute“, die er von 1960 bis 1997 als Herausgeber entscheidend prägte. Er verstand es, „Theater heute“ als ein herausragendes Forum des deutschsprachigen Theaters zu leiten, die maßgeblichen künstlerischen Tendenzen würdigend und kritisch reflektierend. Von 1977 bis 1995 war er Ordinarius für Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und hier der Initiator eines Forschungsprojekts über das Theater im Dritten Reich, über die NS-Theaterpolitik, die Nazifizierung der Theater in personeller und ideologischer Hinsicht.

Er war ein unprofessoraler Theaterprofessor, aber ein passionierter Historiker, für den Theatergeschichtsschreibung zunächst einmal das genaue „Erzählen und Beschreiben, was war“ beinhaltete. Seine ganz uneitlen Erinnerungen mit dem für ihn typisch lakonischen Titel „Schreiben, Knappwurst, abends Gäste“, verdeutlichen das neugierige Bildungsbewusstsein und die Beobachtungslust des aus einer Hannoverschen Handwerkerfamilie stammenden „Weltbegehers“, der in der Hitlerjugend den Stumpfsinn des Exerzierens erfuhr und als kaum 18-Jähriger beim Endkampf um Berlin den linken Arm verlor, was er als „Quittung für meine Mitläuferei“ verbuchte, sich oft unsentimental die Frage stellend, ob angesichts der von den Nazis begangenen Verbrechen ein Arm als Bezahlung ausreiche.

Viellesend und als eifriger Kinogänger betrieb Henning Rischbieter sein Studium der Geschichte in Göttingen und lehrte nach seiner Promotion in Hannover an einer Heimvolkshochschule, schrieb für die Kunst-Kataloge der Galerie von Adam Seide und näherte sich schließlich dem Theater als Geschäftsführer und Redakteur der Mitgliederzeitschrift der Hannoverschen Besucherorganisation Volksbühne.

Ivan Nagel schrieb über den theaterbegeisterten Kritiker und Redakteur: „Kein Unverzichtbarer im Theater heute hätte es ohne Rischbieter und sein ‚Theater heute’ geschafft.“ Er war ein großer Förderer und Lehrer, ganz ohne Oberlehrermanieren, und er leistete sich den Luxus, freundlich zu sein im Brechtschen Sinne.

Henning Rischbieter war seit 1994 Mitglied und engagierter Ratgeber unserer Akademie und von 1997 bis 2000 Stellvertretender Direktor der Sektion Darstellende Kunst.
Am 22. Mai ist er nach kurzer schwerer Krankheit in Berlin im Alter von 86 Jahren verstorben.


Klaus Staeck
Präsident der Akademie der Künste


Klaus Völker
Mitglied der Akademie der Künste – Sektion Darstellende Kunst