30.9.2013, 16 Uhr
Akademie der Künste trauert um Walter Schmidinger
Die Akademie der Künste trauert um ihr Mitglied, den Schauspieler Walter Schmidinger. Er verstarb vergangenen Sonnabend im Alter von 80 Jahren in Berlin.
„Wenn ich ins Theater gehe, hoffe ich immer, dass ich etwas sehe, was ich noch nie gesehen habe.“ –
diese Neugier zeichnete Walter Schmidinger aus. Umgekehrt gab er dem Theater das zurück, was er selbst darin suchte: Entdeckungen. Seine Theaterfiguren Shylock, Nathan, König Lear, Malvolio, Cyprian, Argan, Michael Kramer und König Peter, um nur einige zu nennen, sind aus der deutschen Theatergeschichte nicht mehr wegzudenken. Schmidinger war ein Sprachgenie; mit seiner Stimm- und Sprachgewalt lotete er die Tiefen der Texte aus, sie verschaffte seinem Spiel unverwechselbar Kontur. Er arbeitete mit herausragenden Regisseuren wie Ingmar Bergman, Luc Bondy, Peter Stein, Wilfried Minks, Thomas Langhoff und Robert Wilson.
Die Akademie der Künste, der er seit 2001 angehörte, widmete ihm 2003 einen Abend, an dem Martin Wuttke Schmidingers biografische Aufzeichnungen „Angst vor dem Glück“ vorstellte. Es wurde ein an- und berührender Abend. Die Biografie offenbarte neben den großen Theater- und Filmerfolgen die rauen, fast grotesk anmutenden Erlebnisse seiner Kindheit und Jugend, die von Krieg und Zerstörung geprägt waren.
„Familienbande“ überschreibt er ein Kapitel, in dem nachzulesen ist, wie seine Mutter, selbst eine große Schauspielerin, ihre Sprache verlor, als sie zu Hause von einem Gestapo-Verhör berichtete. Als sie nach diesem Ereignis 1943 verschwand und vermisst gemeldet wurde, war er zehn Jahre alt.
Tief komisch beendete Walter Schmidinger den Akademie-Abend mit einer Lesung von Monologen, Dialogen und Szenen von Karl Valentin.
Wir verlieren in Walter Schmidinger einen großartigen Menschen, dessen Schauspielkunst ohne die ihm eigene freundliche und kluge Gesinnung nicht denkbar gewesen wäre. Dafür danken wir ihm.
Klaus Staeck
Präsident der Akademie der Künste