3.12.2012, 11 Uhr

Eröffnung des Lin-Jaldati- und Eberhard-Rebling-Archivs

mit Jalda Rebling, Lesung und Gesang, und Franka Lampe, Akkordeon

Lin Jaldati,1966, Foto Akademie der Künste, Lin-Jaldati-Archiv

Das Leben der Sängerin Lin Jaldati (1912–1988) und ihres Ehemannes, des Musikwissenschaftlers Eberhard Rebling (1911–2008), war von den Umbrüchen des 20. Jahrhunderts geprägt. Ihre künstlerische Arbeit begann in den 1930er Jahren in Amsterdam bzw. Berlin. Sie blieben bis zur Deportation von Lin Jaldati und der Verhaftung Eberhard Reblings im Juli 1944 in der holländischen Illegalität künstlerisch aktiv. Beide gestalteten das kulturelle Leben der Nachkriegszeit in der DDR mit und träumten von einer weltoffenen Stadt Berlin, die im kulturellen Kontext Europas heute Wirklichkeit geworden ist.

Die umfangreichen Archive von Lin Jaldati und Eberhard Rebling sind ab sofort der Öffentlichkeit zugänglich. Zur Eröffnung wird die Sängerin und Schauspielerin Jalda Rebling, begleitet von der Akkordeonistin Franka Lampe, unveröffentlichtes Material aus dem Archiv ihrer Eltern vorstellen. 

> Presseinformation

Von Grünzweig

Dokumentation

Begrüßung von Dr. Wolfgang Trautwein, Direktor des Archivs der Akademie der Künste

Liebe Kathinka Rebling, liebe Jalda Rebling, meine Damen und Herrn

Wir eröffnen heute die Archive von Lin Jaldati und Eberhard Rebling, die einen Doppelnachlaß im besten Wortsinn bilden. Beide waren einander mehr als 50 Jahre lang verbunden; 1937 hatten sie sich kennengelernt, 1988 ist Lin Jaldati gestorben. Beide waren – mindestens – Doppelbegabungen: Lin Jaldati als Tänzerin und Sängerin (sowie Schauspielerin muß man hinzufügen). Eberhard Rebling als Musikwissenschaftler und Pianist, später auch als Ballettkritiker und Tanzwissenschaftler. Den ehemaligen Bürgern der DDR waren beide als gefeiertes Duo bekannt; zur Sängerin und dem Klavierbegleiter kamen in den 1980er Jahren die Töchter – Jalda als Sängerin und Kathinka als Geigerin - hinzu. Mir persönlich ist Eberhard Rebling – zunächst inkognito – in meinem Studium Anfang der 1980er Jahre begegnet. Unter dem Pseudonym E. Gerhard als für den Musikteil verantwortlicher Co-Autor des Standardwerks von Balet, Gerhard u. a. „Die Verbürgerlichung der deutschen Kunst, Literatur und Musik im 18. Jahrhundert". Dieser kunstsoziologische Klassiker entstand 1935; kurz darauf verließ der Kommunist Rebling Hitlerdeutschland und lebte im niederländischen Exil. Bei seiner Einberufung zur deutschen Wehrmacht ging er dort 1942 in den Untergrund.

Sein Archiv bereichert also die Archivbestände der Akademie zum Künstlerexil während des Nationalsozialismus. Mit 320 Personenarchiven sind sie die bedeutendsten im deutschen Sprachraum. Das Rebling-Archiv tritt dabei in den engeren Kontext anderer Exilanten in den Niederlanden, die sich größtenteils um die Fortsetzung des jüdischen Kulturbunds in Amsterdam gruppierten; die Namen Kurt Singer, Rudolf und Herbert Nelson, Camilla Spira seien genannt, aber auch das Paula Salomon-Lindberg-Archiv; bei dieser herausragenden Gesangspädagogin erhielt Lin Jaldati nach Kriegsende eine profunde Gesangsausbildung. Ihr Leben und ihr Archiv stehen aber auch für die Judenverfolgung in den besetzten Niederlanden und ihr Überleben in den Konzentrationslagern Auschwitz-Birkenau und Bergen-Belsen. Ein weiteres Archiv zu den 30 Archiven jener Künstler, die in den Grenzen Hilterdeutschlands verfolgt und nicht selten umgebracht wurden. Lin Jaldati Niederländerin jüdischer Abstammung. 1952 siedelte das Ehepaar in die DDR über, die sie für den Rest ihres Lebens als ihr politisches Zuhause empfanden und wo sie - künstlerisch, wissenschaftlich und gesellschaftlich - eine große Karriere erlebten – Rebling war selbstverständlich Mitglied der Akademie der Künste der DDR – und auch international große Erfolge hatten. Der Sammelschwerpunkt unseres Archivs zur Kunst und Kulturgeschichte der DDR erfährt mit den beiden Archiven also eine weitere Bereicherung. Auch vom Umfang her, bei Rebling sind es sieben bei Jaldati vier laufende Regalmeter an Material, die unsere Archivarin Christiane Niklew seit der Übernahme im Jahr 2011 komplett verzeichnet hat. Innerhalb der etwa 500 Bestände zur DDR haben sie eine Sonderstellung. Es sind die einzigen Archive zur DDR, die eine dezidiert jüdische Thematik erkennen lassen. In der DDR, wo alle Unterschiede der Klassen und Abstammung aufgehoben sein sollten, konnte das Jüdische kein öffentliches Thema sein, schon gar nicht nach den stalinistischen Schauprozessen der frühen 1950er Jahre, in deren Verlauf die Westemigranten und jüdischen Hilfskomitees mit CIA-Spionage in Verbindung gebracht wurden. 1938, in der Zeit sich zuspitzender Judenverfolgung hatten sich Lin Jaldati und Eberhard Rebling jiddischen Liedern und Tänzen zugewandt. Die jiddischen Lieder nahmen sie ab 1952 in ihr Repertoire mit internationaler Folklore und erneuertem Agiprop auf. Die jiddischen Lieder wurden dann das Alleinstellungsmerkmal des Duos Rebling – Jaldati, die 1966 gemeinsam auch das Standardwerk „Es brennt, Brüder, es brennt! Jiddische Lieder" herausgaben. Hiervon zeugen ihrer beiden Archive in so hohem Maß, dass sie Christiane Niklew zu einem Sonderverzeichnis „Jiddische Lieder in den Archiven der Akademie der Künste" angeregt haben. Ihr gilt hierfür herzlichen Dank. Dank gilt insbesondere aber auch beiden Töchtern Rebling, die die Archive dem Willen Eberhard Reblings gemäß nach dessen Tod 2008 der Akademie anvertrauten. Dank heute ganz besonders an Jalda Rebling, die gemeinsam mit der Akkordeonistin Franka Lampe auf sehr persönliche Weise in die Archive ihrer Eltern einführt. Mit ihr, der Kantorin und Gründerin von „Ohel Hachidusch", einer Reforminitiative jüdischer Frauen, ist das jüdische Thema der Eltern zu seinen eigentlichen Wurzeln zurückgekehrt. Bevor ihr Programm beginnt, begrüße ich die langjährige Bibliothekarin einer hochgeschätzten Partnerinstitution, des Niederländischen Theaterinstituts, Maartje Wildemann. Sie hat der Akademie etwas Wertvolles mitgebracht.

Berlin, 16. Dezember 2012

Fotos

1. Wolfgang Trautwein, Direktor des Archivs, begrüßt die Gäste
2. Maartje Wildemann, vom Theatermuseum Amsterdam, überreicht dem Archiv der AdK Materialien aus dem Exil
3./ 4. Jalda Rebling und Franka Lampe stellen unveröffentlichte Materialien aus dem Lin Jaldati- und Eberhard Rebling Archiv vor

Fotos: Hans-Jörg Schirmbeck, Berlin, 16.12.2012