Walter Benjamin. Constel.lacions de l'exili Ausstellung des Walter Benjamin Archivs der Akademie der Künste in Spanien

Ausstellung

Eine Ausstellung des Walter Benjamin Archivs der Akademie der Künste, in Zusammenarbeit mit der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, dem Benjamin-Lehrstuhl der Universität Girona und dem Museum für die Geschichte der Juden Girona.

Walter Benjamin (1892–1940), der Philosoph, Schriftsteller und Kritiker, war ein großer Mittler zwischen der deutschen und der französischen Kultur. Er brachte dem deutschen Publikum die Literatur, Kunst, Geschichte und Lebensart des Nachbarlandes näher und warb dort wiederum für die deutsche Kultur. Das Zentrum seiner Untersuchungen zur Geschichte der Kultur ist Paris, die „Hauptstadt des 19. Jahrhunderts".

Die Ausstellung konzentriert sich auf Benjamins Exil in Frankreich. Neben einem biographischen Teil werden neun Personen aus seinem nächsten Umfeld vorgestellt: die Schwester Dora Benjamin, Freundinnen und Helferinnen wie Hannah Arendt, Gretel Adorno, Adrienne Monnier und Gisèle Freund, Freunde und Kollegen wie Bertolt Brecht, Gershom Scholem, Theodor W. Adorno und Max Horkheimer. Der Akzent liegt auf den Jahren 1939 und 1940, in denen Benjamin interniert war und Paris schließlich verlassen musste. Exemplarische Zeugnisse thematisieren Gesten der Freundschaft und Akte praktischer Solidarität, Benjamins prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen, seine Aufenthalte in Lagern, Befreiungsversuche und die schließlich gescheiterte Flucht.


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Nächste Station der Ausstellung:
La Jonquera / Spanien
2. Oktober – 31. Dezember
Museu Memorial de l'exili (MUME) La Jonquera

19.6. — 27.9.2015

Girona / Spanien

Dokumentation

Aus der Eröffnungsrede von Erdmut Wizisla, Leiter des Walter Benjamin Archivs:

„Unsere Ausstellung stellt sich der Tatsache, dass Benjamin im September 1940, wenige Stunden nach dem illegalen Passieren der Grenze seinem Leben in Portbou ein Ende setzte. Sie erschöpft sich jedoch nicht darin. Wir betrachten Benjamins Exil anhand einer Reihe von persönlichen Beziehungen. Diesen singulären Mann, einen Einzelgänger, umgab ein haltbares Netz von Freundschaften. Die Personen, die es knüpften, stehen zugleich für mehr als sie selbst. Sie können als Chiffren begriffen werden. Damit sind wir methodisch dicht an Benjamin, der ein Faible für den Begriff Konstellation hatte. Es geht um Erfahrungen und Haltungen von Menschen in ihren Beziehungen – und darum, wie Gesetz und Zufälligkeit, politische Umstände und mentale Konstitution Schicksale bestimmen, Biographien prägen. […]

Woran liegt es, dass uns dieser Schriftsteller auf geradezu unheimliche Weise immer näher zu kommen scheint? Es ist – mit einem Gedanken von ihm, der eigentlich dem Werk Kafkas galt – die Geräumigkeit seiner Metaphern: die Klarheit seiner Sprache, ich hoffe, das gilt auch für die Übersetzungen ins Spanische, die Suggestivkraft seiner Bilder, die Aktualität seiner Erfahrungen, die Gültigkeit seiner Visionen.

Hannah Arendt hat ihr großartiges Porträt von 1968 unter ein Motto gestellt, das Benjamin als einen Gescheiterten ansieht: ‚Ungeschickt lässt grüßen.‘ Benjamins ‚Ungeschick‘, sagte sie, ‚leitete ihn mit einer nachtwandlerisch anmutenden Präzision jeweils an den Ort, an dem das Zentrum eines Missgeschicks sich befand oder doch wenigstens befinden konnte.‘ Das ist gewiss eine zu kurze Deutung. Benjamins Biografie darf nicht von Portbou her gelesen werden. Er ist kein Gescheiterter. Wenn diese Charakterisierung überhaupt aufgegriffen werden kann, dann nur im Sinne des Satzes, den Benjamin in seinem großen Brief vom 12. Juni 1938 an Gershom Scholem über Kafka gesagt hatte und den Hannah Arendt aufgegriffen hat: ‚Die Umstände dieses Scheiterns sind mannigfache. Man möchte sagen: war er des endlichen Misslingens erst einmal sicher, so gelang ihm unterwegs alles wie im Traum.‘

Die Ausstellung leistet einen Beitrag dazu, dass wir von Benjamins Gelingen sprechen dürfen. Es muss uns als ein Gelingen erscheinen, dass es dieses Werk gibt, das Benjamin den Mächten der Finsternis abgerungen hat. Dieses Denken in Extremen ist ein Zeugnis des Gelingens. Es kommt uns zeitgemäß vor, weil es nicht die naheliegende Lösung sucht, sondern dem Konflikt standhalten kann.

Dass wir es noch lange mit diesem Denken und diesem Denker zu tun haben, muss Hannah Arendt geahnt haben, als sie Gershom Scholem erzählte, wie sie vergeblich Benjamins Grab gesucht hat. ‚Es war nicht zu finden, nirgends stand sein Name‘, schrieb sie. Und: ‚Der Friedhof geht auf die kleine Bucht, direkt auf das Mittelmeer; er ist in Terrassen in Stein gehauen; in solche Steinwälle werden auch die Särge geschoben. Es ist bei weitem eine der phantastischsten und schönsten Stellen, die ich je in meinem Leben gesehen.‘

So kann Trauer ausgedrückt und aufrechtgehalten werden. Aber es ist auch ein Zeichen des Widerstands, der Ausdruck einer unbeugsamen Haltung, wenn eine im Moment tiefster Depression die Schönheit der Welt erkennen kann. Hatte Hannah Arendt in diesem Augenblick vielleicht schon eine Vision vom Fortleben des Werkes, das Benjamin in beeindruckender Weise beschert werden sollte?"

Fotos: Marta Payeró, Universität Girona

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