Armband aus Three-Pence-Münzen
Das Besondere dieses Armbands ist nicht sein materieller Wert oder die kunstgewerbliche Verarbeitung. Es erinnert an eine Liebe in entbehrungsreicher Zeit und ist zugleich ein sichtbares Bekenntnis zu England, das Gertrud und John Heartfield nach einer Zeit der politischen Verfolgung und einer gefährlichen Flucht Schutz und relative Sicherheit bot.
John Heartfield, der seine Kunst, insbesondere die von ihm entwickelte Fotomontage, konsequent als Waffe gegen den Nationalsozialismus einsetzt, muss bereits 1933 aus Deutschland fliehen. Nach fünf Jahren im Prager Exil kommt er 1938 nach England. Im folgenden Jahr trifft er bei einer Veranstaltung des Freien Deutschen Kulturbunds, einer Vereinigung exilierter Kulturschaffender in Nord-London, seine spätere Frau Gertrud Fietz, genannt „Tutti“. Nach wenigen Monaten zieht Tutti, die als Haushälterin arbeitet, in Heartfields kleine Einliegerwohnung ein, die das Paar die nächsten zehn Jahre bis zur Rückkehr in die Heimat bewohnt. Doch der Krieg ist auch in London sehr nahe. Den Luftangriffen der Deutschen fallen zwischen dem 7. September 1940 und Mai 1941 rund 43.000 Zivilisten zum Opfer. Als „feindlicher Ausländer“ wird Heartfield dreimal in englischen Lagern interniert. An seine künstlerischen Erfolge kann er nicht anknüpfen, ihn plagen gesundheitliche Probleme, und erst 1943 gelingt es ihm, eine Festanstellung in einem Verlagshaus zu finden.
Wann und zu welchem Anlass John Heartfield seiner Lebensgefährtin das Armband und eine dazu passende Brosche schenkt, ist unbekannt. Abgesehen davon, dass die geringen Mittel Heartfields keine extravaganten Geschenke zulassen, entspricht es dem modischen Geschmack der Zeit. Das Tragen von Schmuckstücken aus unedlen Metallen erfreut sich gerade zu Kriegszeiten großer Beliebtheit. Schon in den Befreiungskriegen und während des Ersten Weltkriegs tauschte man „Gold für Eisen“ und trug Schmuckstücke als patriotische Geste und sichtbaren Beleg eines persönlichen Beitrags zur Kriegsfinanzierung zur Schau. Das Armband steht in dieser Tradition. In England und in den USA nennt man derartige Schmuckstücke, die Soldaten ihren Freundinnen schenken, „sweetheart jewelry“.
John Heartfield, eigentlich Helmut Herzfeld, geb. 1891 in Schmargendorf bei Berlin, gest. 1968 in Berlin/Ost. Bildender Künstler. 1933 Flucht aus Berlin, bis Dezember 1938 in Prag, Arbeit für die "Arbeiter-Illustrierte-Zeitung", 1938–1950 Exil in London, Internierung, Engagement im Freien Deutschen Kulturbund, ab 1941 Buchgestaltung für diverse Verlage, 1943 Festanstellung beim Verlag Lindsay Drummond, 1950 Rückkehr nach Deutschland mit Wohnsitz zunächst in Leipzig, dann Berlin/Ost, ab 1956 Mitglied der Akademie der Künste, Berlin/Ost.
Gezeigt in der Ausstellung "Uncertain States. Künstlerisches Handeln in Ausnahmezuständen", 15.10.2016 – 15.1.2017