18.12.2015, 12 Uhr
Weg mit dem Grünspan!
Zum 85. Geburtstag des Literaturwissenschaftlers, Theaterkritikers und Operettenspezialisten Volker Klotz
Zu den etwa 300 Einzelbeständen des Literaturarchivs der AdK zählen einige wenige Personenarchive, die Materialien nicht von Autoren und Autorinnen, sondern von Literaturkritikern, -vermittlern, -wissenschaftlern bereithalten: etwa die Archive von Walter Jens, Reinhard Baumgart, Peter Wapnewski oder Volker Klotz, dessen 85. Geburtstag am 20. Dezember 2015 Anlass bietet, einen Blick auf den Vorlass dieses unkonventionellen Gelehrten zu werfen. Schon sein erster Auftritt in der philologisch-konservativen Germanistik der Bundesrepublik der 1950er Jahre sprengte die Konvention. Die erste Monographie eines jungen Wissenschaftlers hatte üblicherweise die Dissertation, und ebenso üblicherweise eine Dissertation zu einem kanonischen Thema zu sein. Volker Klotz hingegen veröffentlichte 1957, noch als Student, die erste westdeutsche Monographie zum Werk Bertolt Brechts. 1960 folgte dann die für lange Jahre und zahlreiche Generationen von Studierenden wesentliche Arbeit über die „Geschlossene und offene Form im Drama“, die selbst derart fester Bestandteil kanonischen „Lehrstoffs“ wurde, wie es dem jeglichen Schematismus abholden Autor vielleicht nicht immer lieb war.
Auf die Frage „Wie, warum und zu welchem Ende wurde ich Literaturwissenschaftler?“ antwortete Volker Klotz 1972, ein Jahr nach seiner Berufung auf den Lehrstuhl für Neuere Deutsche Philologie an der Universität Stuttgart: „Weder zehnjährig noch zwanzigjährig noch dreißigjährig nahm ich mir vor, sozusagen hauptamtlich Literaturwissenschaftler zu werden. Mit vierzig bin ich’s.“ Und fügte hinzu, nun trage er dazu bei, „primärliterarisches Papier in sekundärliterarisches zu wickeln“: „In seltenen günstigen Fällen, so hoffe ich, kommt dabei etwas zustande, das die beschriebenen Gegenstände nicht verdeckt, sondern aufdeckt; den Grünspan wegschrappt und die Aufmerksamkeit darauf stößt, daß, wie und warum Literatur intelligente Sensation sein kann.“ Bis zu seiner Emeritierung 1995 und darüber hinaus veröffentlichte Volker Klotz umfassende Studien, die nicht im engen Rahmen des wissenschaftlichen Diskurses verblieben, sondern einem breiteren Publikum neue Blicke auf Literatur und ihr Verhältnis zur Gesellschaft, zu anderen Künsten gestatteten. Thematisch reicht das Spektrum vom vermeintlich trivialen Abenteuerroman über die Wechselbeziehung von Publikum und Bühne, literarische Bilder der Stadt, bis hin zu umfassenden Arbeiten zum Erzählen ebenso wie zur „Verskunst“. Klotz, in Darmstadt geboren, edierte den hessischen Mundartautor Ernst Elias Niebergall ebenso wie Gedichte Erich Arendts. Daneben war er als Theater- und Opernkritiker tätig, und seine vermittelnde Tätigkeit beschränkte sich nicht auf die universitäre Lehre, sondern führte etwa auch zu öffentlichen Seminaren zum Thema Operette. Neben der Literatur wurde das Musiktheater zu einem zweiten großen Arbeitsschwerpunkt. Theoretisch in „Operette. Porträt und Handbuch einer unerhörten Kunst“ (1991, neu 2004), praktisch in der Arbeit als Dramaturg bei etlichen Operettenproduktionen u.a. in Wien, Stuttgart, Nordhausen, Mannheim, Erfurt und in seiner jüngsten Monographie „Es lebe: Die Operette“ (2014), die Texte zur Bühnenarbeit versammelt. Honoriert wurden die Arbeiten von Volker Klotz nicht nur durch hohe Auflagen seiner Publikationen, sondern auch durch Preise: 1994 erhielt er den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor, 2002 den von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung vergebenen Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay.
Das Volker-Klotz-Archiv enthält auf 7,5 laufenden Regalmetern Manuskripte, Materialsammlungen, Vorarbeiten zu sämtlichen Publikationen, dazu Korrespondenz u.a. mit Drinka Gojkovic, Käte Hamburger, Herbert Heckmann, Eckard Henscheid, Georg Hensel, Joachim Herz, Walter Höllerer, Peter Iden, Georg Knepler, Jürgen Lodemann, Werner Mittenzwei, Paul Nizon, Hermann Peter Piwitt, Henning Rischbieter, Heinz Schlaffer, Manfred Windfuhr, Theodore Ziolkowski und Viktor Zmegac. Im Zuge seiner Forschungsarbeit zur Operette trug Volker Klotz eine umfassende Bibliothek von Partituren und Klavierauszügen oft kaum noch bekannter Werke zusammen, die nun ebenfalls im Archiv der Akademie als knapp 1500 Signaturen umfassende „Operettenbibliothek Volker Klotz“ der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, ebenso wie eine Sammlung von etwa 500 Tondokumenten.
Wenn Sie weitere Auskünfte zum Archiv wünschen, wenden Sie sich bitte an:
Helga Neumann, Literaturarchiv, Tel. 030 200 57-32 29, helga.neumann@adk.de