9.2.2023, 13 Uhr
Akademie der Künste trauert um Gerhard Wolf (1928–2023)
Der Verleger und Autor Gerhard Wolf, Ehrenmitglied der Akademie der Künste, ist am 7. Februar 2023 in Berlin gestorben.
Geboren am 16. Oktober 1928 in Bad Frankenhausen erwarb sich Gerhard Wolf in den 1960er-Jahren bleibende Verdienste mit der Entdeckung und Förderung einer jungen, unangepassten Dichtergeneration in der DDR, darunter Volker Braun, Sarah und Rainer Kirsch, Elke Erb, Günter Kunert, Karl Mickel. Auch bildende Künstler hatten seinem Spürsinn viel zu verdanken, der lange verkannte Hallenser Maler Albert Ebert ebenso wie der in Annaberg unter schwierigsten Bedingungen arbeitende Carlfriedrich Claus. In den angespannten Jahren nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns publizierte Gerhard Wolf gemeinsam mit Günter de Bruyn zahlreiche Werke aus dem Märkischen Dichtergarten des 18. und 19. Jahrhunderts; in den späten 1980er-Jahren gelang es ihm mit der Etablierung der Reihe „Außer der Reihe“ beim Aufbau Verlag nochmals, jüngeren Autorinnen und Autoren eine Stimme zu geben. Er entdeckte die sorbische Dichterin Róža Domašcyna und gründete 1990 in Berlin den auf die Verbindung von Wort und Bild konzentrierten Verlag Janus Press, der Malern und Zeichnern wie Angela Hampel, Cornelia Schleime, Helge Leiberg, Ralf Kerbach und A. R. Penck, aber auch dem Freund Günther Uecker ein Forum gab. Von jeher stand er als geborener Lektor seiner Ehefrau Christa Wolf als erster Leser und Werkberater zur Seite. Das seit 2000 an der Akademie der Künste aufgebaute Gerhard-Wolf-Archiv birgt seinen und Christa Wolfs Nachlass und steht der Forschung zur Verfügung.
Friedrich Dieckmann, Mitglied der Sektion Literatur, würdigt Gerhard Wolf: „Gerhard Wolf war kein Mann des Rampenlichts; ein Helfer im Hintergrund, genügte er sich daran, Dinge und Verhältnisse vom Rand her zu beeinflussen. Das stimmte zu seiner Vorliebe für die Randständigen, die aus Neigung oder Veranlagung oder Übermacht allgemeinen Unverstands am Rand des Getriebes oder der Geschichte stehenden Kunstnaturen. (…) Sein letztes Lebensjahrzehnt war der Erschließung des umfangreichen Briefwerks von Christa Wolf gewidmet, es folgten zwei Bücher mit eigenen Texten. Der Band Im deutschen Dichtergarten war eine voluminöse Sammlung seiner Aufsätze zur deutschen Gegenwartslyrik, Herzenssache hieß 2020 ein Buch mit Texten über Begegnungen mit Weggefährten aller Art und Profession. Der Band ist ein Vermächtnis, das Gerhard Wolfs im Stillen wirkmächtige Persönlichkeit noch einmal im Licht einer Diskretion zeigt, die eine Form der Zuwendung ist. Sie gewann ihm die Herzen eines großen Kreises von Lesern, Freunden und Bewunderern.“
Die Akademie der Künste trauert um ihr Ehrenmitglied.
Jeanine Meerapfel
Präsidentin der Akademie der Künste