7.6.2012
Peter-Schneider-Archiv in der Akademie der Künste
Die Akademie der Künste eröffnet das Archiv des Schriftstellers Peter Schneider. Nach bereits erfolgter Verzeichnung stehen ab sofort rund 19.000 Blatt Archivmaterial Wissenschaft und Forschung zur Verfügung.
Peter Schneider, 1940 in Lübeck geboren, gehört zu den markantesten Stimmen der deutschen zeitgenössischen Literatur. Neben Rudi Dutschke war er 1967/68 ein zentraler Aktivist und Wortführer der Studentenbewegung. Literarisch gestaltete er diese Erfahrungen in der zum Kultbuch avancierten Erzählung „Lenz“ (1973) und setzte sich mit ihnen 2008 in dem großen autobiografischen Essay „Rebellion und Wahn. Mein ’68“ anhand seiner Tagebuchaufzeichnungen noch einmal kritisch auseinander. Ein weiteres zentrales Thema seines Schreibens waren das geteilte Deutschland und die unüberbrückbaren Differenzen in den Perspektiven aus Ost und West, die er in „Der Mauerspringer“ (1982) gestaltete und die er hin bis zum Roman „Paarungen“ (1992) und zum Drehbuch „Das Versprechen“ (1995) mehrfach aufgriff. Von den fünf ins Englische übersetzten Büchern Schneiders hatte „Der Mauerspringer“ die größte Resonanz und wurde in die Reihe der „Penguin Modern Classics“ aufgenommen. Immer wieder äußerte Schneider sich mit Artikeln und Essays zu aktuellen politischen und kulturellen Fragen. Schwerpunkte waren die revolutionären Bewegungen in der Dritten Welt, die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen, Europa und transatlantische Themen. Peter Schneider ist seit 1985 an amerikanischen Universitäten als Gastdozent tätig; er lebt in Berlin und New York.
Das Peter-Schneider-Archiv umfasst insbesondere Manuskripte von Erzählungen, Romanen, Drehbüchern sowie Essays und dokumentiert die literarischen Stationen des Autors von den 1950er Jahren bis 2010. Erste literarische Versuche enthalten die Dramatisierung des Grimmschen Märchens „Schneewittchen“ und unveröffentlichte Gedichte. Die überlieferte Fassung und die Arbeitsmaterialien zum Buch „Schon bist du ein Verfassungsfeind“ beleuchten Schneiders Erfahrungen Anfang der 1970er Jahre, nachdem man ihm im Zuge des Radikalenerlasses den Eintritt in den Schuldienst verweigert hatte. Zu den späteren Werkmanuskripten gehören die Romane „Paarungen“, „Eduards Heimkehr“ und „Skylla“. Hervorzuheben sind die Tage- und Arbeitsbücher mit handschriftlichen Aufzeichnungen in etwa 40 Bänden. In vielen Fällen enthalten sie neben Skizzen zu unterschiedlichen Projekten Reflexionen des täglichen Erlebens. Korrespondenzen mit Personen und Institutionen spiegeln Zeitläufe, Arbeits- und persönliche Beziehungen, u. a. zu Bernard Andreae, Bill Bradley, Friedrich Christian Delius, Egidio Eronico, Renzo Piano, Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta, Gao Xingjian. Ein Briefwechsel mit Helmut Kohl hat Schneiders Kritik an der „Gnade der späten Geburt“ zum Gegenstand. Zahlreiche Leserbriefe stehen für die öffentliche Resonanz des Schriftstellers. Rezensionen, wissenschaftliche Arbeiten und Artikel über Schneider komplettieren das Archiv.
Veranstaltungshinweis: Zur Eröffnung des Peter-Schneider-Archivs liest der Autor „The best and the worst aus 50 Jahren“ am kommenden Dienstag, den 12. Juni 2012, 20 Uhr in der Akademie der Künste am Hanseatenweg (Eintritt € 5/3). Dabei stellt er auch eine neue autobiografische Erzählung vor, die im Frühjahr 2013 im Verlag Kiepenheuer & Witsch erscheinen wird.
Für Rückfragen: Martina Hanf, Literaturarchiv, Tel. 030 20057-3280, hanf@adk.de