Susanne Klengel »Brasilia – Horizonte der urbanen Zukunft bei Max Bense und Vilém Flusser« Programm zur Ausstellung "Das Verlangen nach Form"
Im Jahrzehnt nach der Einweihung der neuen Hauptstadt Brasilia 1960, konnte man in Deutschland hin und wieder faszinierte, aber auch ambivalente Reportagen und Berichte über das gewaltige urbanistische Projekt der lateinamerikanischen Moderne lesen. Susanne Klengel vergleicht in ihrem Vortrag Brasilia-Beschreibungen aus der Feder des Stuttgarter Philosophen, Semiotikers und Schriftstellers Max Bense und des seit 1940 in Brasilien beheimateten, aus Prag stammenden, jüdischen Intellektuellen Vilém Flusser. Beide sehen in Brasilia ein urbanes Projekt, das auf die „Stadt der Zukunft“ verweist: für Bense ein Produkt der „brasilianischen Intelligenz“, ein System, konsequentes Gesamtdesign und visuelles Ereignis, für Flusser dagegen ein maßloser „Apparat“, eine Maschine, die den Typus des „Funktionärs“ hervorbringt und begünstigt. Für beide Autoren ist die alte Hauptstadt Rio de Janeiro ein melancholischer Fluchtpunkt des Vergangenen. Doch Benses Blick ist, wie sein Text selbst, eher auf die konstruktivistische Dimension Brasilias gerichtet, der er durchaus etwas abgewinnt. Flusser dagegen sieht Brasilia mit ambivalentem Gefühl als Wiege des „neuen Menschen“, den er im vermeintlich „geschichtslosen Raum“ Brasiliens ansiedelt.
Anschließend diskutiert Klengel mit dem Stadtplaner, Architekten und Akademie-Mitglied Peter Zlonicky.
Susanne Klengel ist Professorin für Literaturen und Kulturen Lateinamerikas am Lateinamerika-Institut der FU Berlin. Sie lehrte in Halle und Erfurt und war von 2004 bis 2009 Professorin für Spanische und Portugiesischsprachige Kulturwissenschaft und Lateinamerikanistik an der Universität Mainz. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Literaturen und Kulturen Lateinamerikas, die iberoromanischen Avantgardebewegungen, Bild/Text-Beziehungen, Kulturen in Grenzräumen sowie Kulturtransfer, interkulturelle Intellektuellengeschichte.