Radio Zukunft. Tage der Audiokunst My Vision of Radio: Die Zukunft des Kulturradios

Festival

Vier Tage lang, vom 7. bis zum 10. März, bietet das Festival "Radio Zukunft" eine Bestandsaufnahme des Umbruchs, in dem sich die akustischen Erzählformen befinden. Den Auftakt bildet ein medienpolitischer Tag zur Zukunft des Kulturradios.

90 Jahre Rundfunk. Welche Gestalt wird das Radio der Zukunft haben? Und welchen Platz wird die Kunst darin einnehmen? Was wollen wir überhaupt senden, fragt Schorsch Kamerun - frei nach Heißenbüttel - in seiner Performance "Kann mir nicht vorstellen, dass es weitergeht". Der Rundfunk in seiner demokratischen Funktion findet sich wieder in einer Postdemokratie. Das Kulturradio seinerseits als ein von Machern und Entscheidungsträgern gesteuertes Medium sieht sich inmitten einer ungesteuerten Welt des Internets, deren Wesen es ist, sich amorph auszubreiten und interaktiv zu entwickeln. Die Zeitungen verlieren ihre Print-Ausgaben, bieten dafür Audio-Apps an, das Fernsehen wandert auf den Tablet-PC, das Web-Radio lädt sich mit visuellen Inhalten auf: die Grenzen verschwimmen.

Wie ist das zusammenzubringen, der Schutz und lebendige Fortbestand einer gewachsenen (Minderheiten-)Kultur und die Notwendigkeit einer zeitgemäßen Evolution des Rundfunks? Am Ende dieser Entwicklung werden wir unsere alten Medien wohl nicht mehr wiedererkennen und müssen deshalb jetzt dafür sorgen, dass wir uns selbst im Neuen wiedererkennen und als Subjekte eines neuen kulturellen Gewebes unsere Stimme behalten.

Hörkunst im Rundfunk ist die Möglichkeit, an der Radio-Utopie mitzuarbeiten, ist die Möglichkeit, die Dinge anders zu sagen - und folglich ein Politikum. Wie steht es um die Existenzgrundlagen und die Zukunft des Genres im gegenwärtigen Umbau dessen, was wir früher einmal 'Radio' nannten?

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Donnerstag, 7.3.2013

10 Uhr

Hanseatenweg

ab 10 Uhr. Tagesticket 10 / 5 Euro, Festival-Pass 30 / 15 Euro

Ein Festival der Akademie der Künste und der Kulturstiftung des Bundes in Kooperation mit der Hans-Flesch-Gesellschaft

Dokumentation
Radio Zukunft
Programm 7. März
My Vision of Radio: Die Zukunft des Kulturradios


Biografien der Teilnehmer
Mitschnitte und Gespräche bei

10.00 Uhr
Begrüßung, Oliver Sturm, Künstlerischer Leiter des Festivals, und Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste

10.15 Uhr
Begrüßung, Hortensia Völckers, Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes

10.30 Uhr Performance
Schorsch Kamerun Kann mir nicht vorstellen, dass es weitergeht
Was lohnt überhaupt noch, in die Welt hinausgeschickt zu werden? Ausgehend  von seinem neusten Hörspiel fragt Schorsch Kamerun in seiner Performance, wie Sender und Empfänger noch einmal zueinander finden können. Danach ist vielleicht etwas weniger von dem verschwunden, was als nicht mehr zu retten galt. (Bild: Schorsch Kamerun. Foto privat)

11.00 Uhr
Keynote und Tagesmoderation: Ralf Homann

11.10 Uhr Vortrag
Sighard Neckel Refeudalisierung und Postdemokratie
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, nach dem Krieg als zentrales Medium unserer Demokratie neu begründet, operiert heute vor dem Hintergrund einer postdemokratischen Gesellschaft, in der politische Entscheidungsprozesse wesentlich durch Strategien der medialen Aufmerksamkeit und wirtschaftliche Interessen gesteuert werden.

11.35 Uhr Vortrag
Wolfgang Hagen Das Radio - Arche Noah im multimedialen Netz
Es scheint, als ob das Radio im vernetzten Relaunch aller Oberflächen und Interfaces der Medien keine Rolle mehr zu spielen scheint. Für eine Marginalisierung des Hörfunks indes gibt es keinen Grund. Vielmehr müssen die alten Stärken herausgestellt und neue Programm-Modelle und Formate erprobt werden. Hören braucht keine äußere Multimedialität - es trägt sie endogen in sich als ein ganz eigenes Gut.

12.10 Uhr Vortrag
Marie Wennersten Disembodied theatre: the state of radio fiction in Europe
From Ireland to Croatia, from France to Russia, how are archives and cultural heritage treated, when moving in, if at all, to the new digital platforms? Marie Wennersten, Swedish radio drama director and Chairman of the Radio Drama group of the European Broadcasting Union, looks at current works and trends in terms of prioritized versus homeless productions.

12.30 Uhr Vortrag
Otilia Cseiscner Media transformation and its effects on Radio Drama in Hungary
Radio drama in Hungary has survived the transformation of media institutions. However, these changes did have an effect on form and content of last year’s productions. Otilia Cseiscner, who has worked as a dramaturg of radio fiction for many years, investigates on this process.

13.50 Uhr Vortrag
Dieter Dörr Der 'Kulturauftrag': Evolutionsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Kulturradios
Wie ist der im Rundfunkstaatsvertrag genannte 'Versorgungsauftrag' in Hinsicht auf die Kulturprogramme auszulegen? Wie weit sind die Grenzen für die Entwicklung trimedialer Formate gesteckt? Was schreibt die neue Gebührenordnung den Sendern ins Stammbuch? Der Medien-Jurist Professor Dieter Dörr erläutert die objektiven juristischen Auflagen, Möglichkeiten und Grenzen eines Kulturradios in Deutschland.

14.25 Uhr Vortrag
Adrian Gaertner Letale Affären - Zur Psychodynamik sterbender Institutionen
Der Analytiker und Coach Professor Adrian Gaertner betrachtet institutionelle Apparate aus psychoanalytischer Perspektive.

14.50 Uhr
Keynote: Ralf Homann

15.00 Uhr Vortrag
Uwe Kammann Vermessene Zahlen: Der Funk und die Fakten
Ist das Schrumpfen der Sendeplätze und Budgets nur ein Gerücht? Was sagen die Zahlen: eine auswertende Analyse der Entwicklung von Hörkunstproduktionen in Deutschland.

15.20 Uhr
Sound-Pause

15.30 Uhr
Robert Wilson My Vision of Radio
Der amerikanische Theaterkünstler entwickelt seine persönliche Radio-Utopie.

16.00 Uhr Diskussion
Die Zukunft der Kunst in der Anstalt
mit Wolfgang Hagen, Schorsch Kamerun, Dietrich Leder, Martina Müller-Wallraf, Ruben Jonas Schnell

17.30 – 19.30
Hörspielpräsentationen 
Ulrich Gerhardt Nostalghia: Meine Klassiker 
gewidmet Hermann Naber

Die Geschichte vom Franz Biberkopf von Alfred Döblin
Regie: Max Bing, Franz Biberkopf: Heinrich George, Mietze: Hilde Körber u.v.a., Reichs-Rundfunk-Gesellschaft 1930, 78 Min.
Mit der Hörspieladaption seines Romans “Berlin.Alexanderplatz” wollte der Schriftsteller Alfred Döblin mehr erreichen, als die bloße Übertragung des Buchs in das andere Medium Rundfunk. Die Aufnahme von 1930 wurde zum Meilenstein in der  Entwicklung des Hörspiels.

Fünf Mann Menschen von Ernst Jandl und Friederike Mayröcker
Regie: Peter Michel Ladiges, SWF 1968, 14 Min.
Im Zeitraffer werden in “Fünf Mann Menschen” zentrale Lebensereignisse durchgespielt: von der Gebärklinik über mehrere Lebensstationen hinweg wieder zurück zur Gebärklinik. Denn “solange es Kinder gibt, wird es Kinder geben”. Das  Hörspiel wurde 1969 mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnet und eröffnete in seiner Nachfolge die Ära des sogenannten 'Neuen Hörspiels'.


ABENDPROGRAMM

20.00 Uhr Live-Act
Epiloghi - Sei modi di dire Zangtumbtumb von Arturas Bumšteinas
Audio-Art mit Cembalo. Cembalo: Christine Kessler
Deutschlandradio Kultur 2013, ca. 40 Min.
Ursendung: 0.05 Uhr auf Deutschlandradio Kultur, Klangkunst

1913 veröffentlichte Luigi Russolo das futuristische Manifest „L'arte dei rumori“ (‚Die Kunst der Geräusche’) und proklamierte das Zeitalter der maschinengezeugten Geräusch-Töne.100 Jahre später begibt sich der litauische Komponist Arturas Bumšteinas auf die Suche nach den Vorzeichen des Futurismus. Fündig wird er im Barock, als Schallautomaten Einzug ins Theater hielten. Bumšteinas verbindet Aufnahmen alter Theatermaschinen mit Cembaloklängen und Russolos Intonarumori (Geräuschtöner): Affektgeladene Barockmusik trifft futuristische Effektgeräusche.


SOUND STAGE
Technische Realisierung durch Taucher Sound Environments

21.30 Uhr
Nah und fern von Mauricio Kagel
WDR 1994, 41 Min.
Radiostück für Glocken und Trompeten mit Hintergrund. Dem Titel entsprechend in einem permanenten Perspektivenwechsel, besteht das Stück aus Originaltonaufnahmen der städtischen Umgebung der Domkerk in Utrecht und  Carillon- und Trompetenmusik von Mauricio Kagel. Entstanden ist ein akustischer Film von rhythmisch-musikalischer Struktur, voll von zu entdeckenden Geschichten.

23.00 Uhr
A Collection of Smiles von Alessandro Bosetti
5.1-Mehrkanalproduktion, WDR, 2011, 51 Min.
Fasziniert vom Klang der Worte sucht der Komponist Alessandro Bosetti immer  wieder nach Wegen, Musik aus Sprache zu generieren. In seinem aktuellen, von Francis Ford Coppolas Lauschangriff-Thriller The Conversation inspirierten Projekt "A Collection of Smiles" konzentriert er sich auf die Polyphonie alltäglicher privater Gesprächssituationen.

23.30 Uhr
Nachtschicht von Vostiklap & Scherzer
Mehrkanal, 3D Sound, Taucher Sound Environments 2012, 11 Min.
Die Nachtschicht ist ein begehbares Klangstück, in dem sich der Besucher in einer nächtlichen Fabrikzone wiederfindet, deren geheimnisvolle Vorgänge sich im Raum  nach und nach manifestieren.

23.50 Uhr
Die 50 Skulpturen des Instituts für Feinmotorik
von Institut für Feinmotorik - Veranstaltung in Kooperation mit dem SWR
SWR 2011, 47 Min.
"Seit 1997 reizt das fünfköpfige Künstlerkollektiv in experimentellen Performances die Möglichkeiten seiner Medien aus - in der Arbeit mit DJ-Mischpulten und präparierten Plattenspielern, auf denen nicht Schallplatten, sondern Alltagsmaterialien wie Gummibänder, Büroklammern und Klebeetiketten abgetastet werden. Aus dieser mutigen Reduktion der radiophonen Mittel entsteht ein Aggregat in Klang geformter Körper von rätselhafter Archaik." (Karl-Sczuka-Preis 2011, aus der Begründung der Jury)


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Radio Zukunft ist ein Festival der Akademie der Künste und der Kulturstiftung des Bundes

In Kooperation mit der Hans-Flesch-Gesellschaft e.V. – Forum für akustische Kunst, unterstützt von der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL)

Medienpartner