65 Jahre Sinn und Form. Das Geheimnis der Dauer

Lesung und Diskussion
„Sinn und Form“, schreibt der polnische Dichter Adam Zagajewski in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift, „repräsentiert einen Denkstil, der die falsche Trennung zwischen dem linken, liberalen, ironischen und nichtmetaphysischen Denken auf der einen Seite und dem religiösen, metaphysischen und politisch ‚verdächtigen’ Denken auf der anderen Seite aufhebt. Sie repräsentiert quasi die Mitte. Das ist großartig.“
65 Jahre Sinn und Form sind ein guter Anlass, sich über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Akademie-Zeitschrift auszutauschen.

Einführung: Friedrich Dieckmann, Lesung: Volker Braun, Christian Lehnert, Monika Rinck und Jan Wagner, Gespräch: Jürgen Becker, Sebastian Kleinschmidt, Martin Mosebach und Adam Zagajewski, Moderation: Matthias Weichelt.

Leseprobe aus SINN UND FORM 4/2013:

Sebastian Kleinschmidt,
LOGBUCH. LETZTER EINTRAG

Wenn man das Glück hatte, fast dreiundzwanzig Jahre an der Spitze einer Zeitschrift wie "Sinn und Form" zu stehen, auf der Brücke dieses stolzen Schiffes, um im Auftrag eines ehrwürdigen Reeders, der Berliner Akademie der Künste, dafür zu wirken, daß nicht Stürme und nicht Flauten, nicht Untiefen und nicht Klippen dem schönen Segler die Fahrt nehmen, dann geht einem in dem Moment, wo man abmustert, weil es Zeit geworden ist, daß Jüngere das Ruder übernehmen, so manches durch den Kopf. Der Wechsel der Epochen, das Schiff und seine Kapitäne, ihr nautisches Geschick, die Besatzungen, aber auch das Personal der Werften und der Reederei. Nicht zu vergessen das Entscheidende, die Schriften der Autoren, das eigentliche Frachtgut, und die unbekannten Leser, für die es bestimmt ist und die es alle zwei Monate in Empfang nehmen. All denen, die mit Herz und Verstand dafür gearbeitet und gestritten haben, daß Sinn und Form seit fünfundsechzig Jahren seetüchtig ist, sei vielmals gedankt.
Das wichtigste, was Segelschiffe brauchen, ist Wind. Doch gerade der läßt sich nicht kommandieren. Man muß ihn aufspüren. Aufmerksamkeit und Umsicht, Ausdauer und Geduld sind gefragt, variable Routen, bewegliche Rahen, stabile Takelage. Und noch einiges mehr. Der Wind – Seeleute wissen das – weht, wo er will. Es ist wie mit dem Geist. In diesem Sinne sind alle Fahrensmänner Theologen.
Die Fahrten, die Fährnisse – das ist eine lange Erzählung. Zu lang für dieses kleine Wort des Abschieds. Doch eins noch will ich sagen: Es war ein großes Abenteuer, das Abenteuer meines Lebens.
 
(SINN UND FORM 4/2013, S. 621)
Donnerstag, 22.8.2013

20 Uhr

Pariser Platz

Plenarsaal

Lesung und Gespräch mit Volker Braun, Jürgen Becker, Friedrich Dieckmann, Sebastian Kleinschmidt, Martin Mosebach, Monika Rinck, Adam Zagajewski u.a.

€ 5/3