Künstlerische Positionen
Als sich die namibischen Gemeinschaften 1904–08 gegen die deutsche Kolonialherrschaft erhoben, reagierten die kaiserlichen Truppen mit Dekreten zur Vernichtung, in deren Folge 80 Prozent der Ovaherero und 50 Prozent der Nama getötet wurden. Ein weiteres Dekret ließ die Erschießung der San zu. Diese Schreckensherrschaft verharrt in der Psyche der Nation.
Im heutigen Namibia ist das ungelöste Trauma auch mit dem Land selbst verbunden: Jedes Sandkorn bewahrt die Erinnerung und ist Zeuge der Vergangenheit. Die vergifteten Brunnen, welche den fliehenden Menschen den Tod bringen sollten, sind als klaffende Löcher in der Landschaft sichtbar. Und die Bäume, die als Galgen verwendet wurden, flüstern unablässig die Namen der Opfer, deren Knochen verlassen im Boden liegen.
They tried to bury us ist ein Ort der Erinnerung. Die Gesichter repräsentieren die unzähligen Toten, die nie zur Ruhe gebettet wurden. Sie dienen als Metapher für die Geschichte und weisen gleichzeitig auf eine Vergangenheit, die ungelöst und unvollendet ist – sowohl sichtbar als auch zerfallend in der verdorbenen Erde.
Isabel Tueumuna Katjavivi lebt und arbeitet als bildende Künstlerin in Windhoek, Namibia. Derzeit studiert sie im Master Bildende Kunst an der University of Namibia und konzentriert sich auf ortsspezifische kurzlebige Installationen, um an den Ovaherero-Genozid zu erinnern. Sie war 2017 die erste Preisträgerin des Bank Windhoek Triennial Competition. Katjavivi hatte drei Einzelausstellungen und war in diversen Gruppenausstellungen vertreten. Ihre Arbeiten befinden sich u. a. in der Sammlung des Museums Würth, Künzelsau, der Luciano Benetton Collection sowie in der Sammlung der National Art Gallery of Namibia.
Frühere Projekte (2018)
C& Center of unfinished business
O Sacudimento da Casa da Torre und O Sacudimento da Maison des Esclaves em Gorée
Das von Julia Grosse und Yvette Mutumba konzipierte C & Center of unfinished business ist ein Leseraum, der den Besucherinnen und Besuchern eine außergewöhnliche, manchmal verwirrende Auswahl an Büchern bietet, die auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Kolonialismus in Verbindung gebracht werden – von einem Geschichtsbuch zu deutschen Kolonien über ein Mode-Buch über die Sappeurs in der Demokratischen Republik Kongo bis hin zu einer Analyse der Kapitalmärkte im 21. Jahrhundert. Eine begehbare Bücherregal-Struktur, die aus verschiedenen Perspektiven genutzt werden kann und exklusiv entwickelt wurde, um an diverse Orte zu wandern und dort immer wieder neu benutzt zu werden.
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Dienstbare Geister
Hörspiel von Paul Plamper mit Sandra Hüller, Olivier Djommou, Cristin König, Richard Djif, Fabian Hinrichs u.a.
1905 verlässt eine mittellose junge Frau Berlin und wandert in die deutsche Kolonie Kamerun aus. Ihr sozialer Aufstieg geschieht auf Kosten der einheimischen Nachbarn und Bediensteten, die beharrlich und vergeblich Widerstand gegen die deutschen Kolonialherren leisten. 2015 bricht ein junger Mann aus Kamerun Richtung Deutschland auf. Er sieht für sich keine Alternative zum reichen Europa. Durch beharrliche Selbstausbeutung erkämpft er sich in Berlin eine feste Stelle. Zunehmend verliert er die Verbindung zu seiner Heimat. Aber eines Tages soll er seiner Chefin einen Dienst erweisen und gegen seinen Willen einen Auftrag in Kamerun übernehmen.
Paul Plamper konstruiert, basierend auf Tagebuchaufzeichnungen von Frauen, die um die Jahrhundertwende in kolonial besetzte Gebiete gingen und aktuellen Interviews mit Geflüchteten, zwei Migrationsgeschichten, in denen er den sprachlichen Feinheiten von Usurpation und Erniedrigung, aber auch verlogener Political Correctness und verfehltem Helfersyndrom nachspürt. Erzählt wird nicht von Tätern, sondern von einem Alltag, in dem Naivität und Abhängigkeiten ein abgründiges Verhältnis miteinander eingehen.
„Die beiden Performances waren ursprünglich als Diptychon gedacht, und es freut mich, dass diese Dopplung des performativen Aktes auf beiden Seiten des Atlantiks als Ausdruck der Intervention in zwei bedeutende architektonische Monumente interpretiert wird. Im Fall des Casa da Torre (oder Garcia D’Ávila Schloss) steht diese in Verbindung mit dem alten portugiesischen Kolonialsystem in Bahia und im Fall des Maison des Esclaves (Sklavenhaus) auf der Insel Gorée mit dem Sklavenhandel zwischen Afrika und der Neuen Welt. Bei der Konzeption der Performances habe ich mich gefragt, wie ich die Sklaverei und die koloniale Vergangenheit kritisch aufbereiten kann, um ein Licht auf die historischen und gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen an beiden Küsten des Atlantiks zu werfen. Mit anderen Worten: Was sind die anhaltenden Folgen der Kolonisation und der Sklaverei sowohl für Afrika, als auch für Brasilien? Dabei war es mir wichtig, diese Fragestellung künstlerisch als Performance sowie durch Film und Fotografie aufzugreifen und auch umzusetzen.“ – Ayrson Heráclito
Ayrson Heráclito (geb. 1968 in Macaúbas, Bahia, Brasilien) lebt und arbeitet als visueller Künstler, Kurator und Professor in Cachoeira und Salvador, Brasilien. 2016 promovierte er an der PUC São Paulo in Kommunikation und Semiotik. Er ist Professor am Center of the Arts, Humanities and Letters der Universidade Federal do Recôncavo da Bahia. Seine Arbeiten bewegen sich zwischen Installation, Performance, Fotografie und dem Audiovisuellen; darin beschäftigt er sich häufig mit Elementen der afrobrasilianischen Kultur und ihren Verbindungen zu Afrika sowie der Diaspora in Amerika.
Im Schiffbruch nicht schwimmen können
In Marcel Odenbachs Film Im Schiffbruch nicht schwimmen können sitzen drei Afrikaner im Pariser Louvre vor einem der bekanntesten Gemälde des Museums – das Floß der Medusa von Théodore Géricault – und hängen ihren Gedanken nach. Das Bild zeigt einen jener Augenblicke, in dem die Menschheit auf ihren bloßen, brutalen und gnadenlosen Überlebenswillen zurückgeworfen ist: Am Ende waren nur 15 der ursprünglich 174 auf dem Floß befindlichen Überlebenden der noblen französischen See- und Kolonialmacht übrig. Dem Wahnsinn verfallen, ausgedörrt und ausgehungert hatten sie Meuterer geschlachtet, ihre Kameraden verspeist, die Schwächsten getötet – und kamen weiter.
„Für diese Arbeit habe ich mit den drei Afrikanern sehr lange Interviews über ihre Ausreise – sprich Flucht –, ihre Motivation und ihr Leben geführt. Sie haben mir über Heimweh, Sorgen, Ängste und Fremdsein im eigenen Land berichtet. Sie haben Dinge verschwiegen und auch bereitwillig kritisch erzählt. Aus diesen langen Abhandlungen habe ich wenige Aussagen herauskristallisiert und mich dazu entschlossen, sie nicht verbal zu nutzen, sondern schriftlich. Vor dem monumentalen Bild schweigen sie. Am Meer sitzen und von der Ferne träumen. Aber was ist, wenn die Ferne zur Heimat wird? Das Meer in meiner Arbeit, ist das Meer vor meinem Haus in Ghana, das ich dort täglich betrachte. Das Meer, das endlos erscheint, mal friedlich, mal voller Gefahren. Das Hoffnung und Heimat, das für mich als Deutscher auch immer Rettung und Flucht bedeutet.“ – Marcel Odenbach
Marcel Odenbach (geb. 1953 in Köln) lebt in Berlin und Cape Coast, Ghana, und arbeitet in Berlin und Köln. Von 1974 - 1979 studierte er Architektur, Kunstgeschichte und Semiotik an der Technischen Hochschule Aachen. Er unterrichtete Medienkunst an verschiedenen Institutionen in Deutschland, u.a. an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und der Kunsthochschule für Medien Köln sowie der Kunstakademie Düsseldorf.
Weiße Geister – Der Kolonialkrieg gegen die Herero
Ein Film von Martin Baer mit Israel Kaunatjike, produziert von
Hanfgarn & Ufer
Der Dokumentarfilm Weiße Geister – Der Kolonialkrieg gegen die Herero (Deutschland, 2004. 72 Min.) fragt nach den Folgen des deutschen Kolonialkrieges zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Südwestafrika und erkundet, wie sich die Beziehungen zwischen den Nachfahren der Kolonisten und Kolonialherren und den Nachfahren der Kolonisierten und Ausgebeuteten heute gestalten.
Filmemacher Martin Baer und sein Freund Israel Kaunatijke, ein in Berlin lebender Herero, sind gemeinsam auf den Spuren der kolonialen Vergangenheit und ihren Auswirkungen nach Namibia gereist. Sie möchten einerseits herausfinden, wie die Herero die Erinnerung an die Katastrophe ihrer Niederlage verarbeitet, überliefert und wachgehalten haben. Andererseits versuchen sie zu klären, welches Verhältnis die Deutschen inzwischen zu ihrer zunächst als Sieg gefeierten, dann als verbrecherisch verdammten Geschichte entwickelt haben. Dabei entdecken sie, dass ihre eigenen Familiengeschichten viel mehr mit dieser Vergangenheit verbunden sind, als sie bisher wussten.
Martin Baer arbeitet als Kameramann, Autor und Regisseur. Seine Dokumentarfilme beschäftigen sich hauptsächlich mit historischen Themen und Afrika. Außerdem ist er Autor mehrerer Publikationen zur afrikanischen Geschichte. Zu seiner Filmographie zählen Befreien Sie Afrika (1999), Eine Kopfjagd – Auf der Suche nach dem Schädel des Sultans Mkwawa (2001), Weiße Geister (2004) und Kinshasa Symphony (2010).
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