
Arsenal on Location: Heinz Emigholz
Architektur und Film
Bis zur Fertigstellung seines neuen Kinosaals präsentiert das Arsenal – Institut für Film und Videokunst Programme in anderen Häusern, so auch in der Akademie der Künste, die schon die ersten Filmvorführungen in den 1960er-Jahren beheimatet hat.
Das Programm „Architektur und Film“, kuratiert von Heinz Emigholz, geht zurück auf die legendäre Reihe „Experimentelle Filmgestaltung“, die er in den 1990er-Jahren im Arsenal präsentierte.
Samstag, 12. April, 19 Uhr
Sullivans Banken
Der Film zeigt die letzten acht Gebäude, die der amerikanische Architekt Louis H. Sullivan (1856-1924) zwischen 1908 und 1920 gebaut und ausgestattet hat. Vorgehängte Fassaden, die keine tragende Funktion mehr hatten, wurden von ihm konsequent frei gestaltet. Von Bauwerk zu Bauwerk variierte er dabei ein modular ornamentales Design aus Backsteinen, Stahl, Gips, Terracotta, Glas, Keramik, Mosaiken, Marmor, Reliefs, Holz und Metall. „Alle Gebäude, die jemals waren und sind, sind das physische Symbol für den psychischen Zustand eines Volkes. Jedes Gebäude steht für eine soziale Aktion.“ (Louis H. Sullivan, What is Architecture, 1906)
Zwar wurde 1926 in der „Ausstellung neuerer amerikanischer Baukunst“ in der Berliner Akademie der Künste die Arbeit Sullivans in einem zentralen Saal ausgestellt, für theoriefähig hielt man den Lehrer Frank Lloyd Wrights in Europa allerdings nicht.
„Nicht Sullivans berühmte Wolkenkratzer ziehen Emigholz an, sondern das Alterswerk des Mannes, seine Banken im Mittleren Westen, in denen sich Schlichtheit und Spiel in wunderbarer Weise die Waage halten. Auch hier ist der Raum nicht Objekt, sondern Subjekt des Films, wird nicht der Raum gelesen, sondern er diktiert die Bilder. Gerade weil Sullivans Banken weder prunken noch aufstreben, verführt ihre Ornamentik, die nicht Zierrat ist, sondern Aussage, wenngleich nicht eine der demokratischen Lehre Sullivans zu erschöpfende. Das Organische der Ornamente, das aus dem modernen Geschäftsleben Herauswuchernde, das Treiben, Schlingen, Blühen, Aufplatzen, setzt erotische Ingredienzien frei. Es zeigt, gerade am gleichgültigen Ort des universalen Äquivalents, das Nicht-Austauschbare, die Anwesenheit einer im Geheimen arbeitenden Imagination. Emigholz ergibt sich, indem er den Kraftlinien folgt, die sie in diese letzten Gebäude seines Lebens einschrieb, der Leidenschaft des Architekten.“ (Stefan Ripplinger, 2001)
The Fountainhead
Aus der Einführung von Heinz Emigholz: „Als experimentelles Meisterwerk des kommerziellen Films zu seiner Zeit ein Flop und heute in Vidors und Coopers Filmografien so gut wie gelöscht, erzählt der Film, bewußt oder unbewußt, die Kehrseite einer Mythenbildung. Was als demokratisches Bauen antrat, endet in verbiesterter Egomanie. An diesem Film stimmt nichts. In der Analytikerausbildung würde man sagen, die Superversion hat gefehlt. Gerade deshalb lieben wir ihn. Dank Vidors praktischer Intelligenz wird uns die Logik seines Nichtfunktionierens und die begrenzte Logik der im Film wütenden Ideen in einem Akt interesselosen Wohlgefallens vorgeführt. Die Auftragsarbeit wird zum Spiegel einer in intellektuelle Leidenschaften versinkenden Moderne, der das Referenzsystem abhanden gekommen ist.“
Sonntag, 13. April, 19 Uhr
Goff in der Wüste
Der Film zeigt zweiundsechzig Bauten des amerikanischen Architekten Bruce Goff (1904-1982) – vom Tankstellenhäuschen bis zum repräsentativen Museumsbau – und ist damit die erste umfassende filmische Dokumentation fast aller seiner noch existierenden Gebäude. Bruce Goff ist der große Unbekannte einer originär amerikanischen Architektur. Seine baulichen Erfindungen und Entwürfe liegen quer zu den Idealen der dagegen exklusiv bekannt gewordenen International Style-Bewegung. Die Kontroversen, die das Werk von Bruce Goff zu seinen Lebzeiten auslöste, sind Legende. Fast jedes seiner Gebäude war ein Schock in der Landschaft, der neue Möglichkeiten von Architektur freisetzte. Die Aufnahmen zum Film fanden an vierzig Drehtagen im Frühjahr 2002 auf einer 9.200-Meilen-Reise durch die USA statt.
Vortrag von Heinz Emigholz: Gibt es eine queere Architektur?
Bruce Goff hatte ab 1947 an der University of Oklahoma einen international angesehenen Lehrstuhl für Architektur inne. 1955 wurde er aufgrund eines von einer Bauhaus-Fraktion inszenierten Skandals wegen seiner Homosexualität aus dem Amt gejagt. Dem Architekten und Nazi Philip Johnson, der als International Style-Ideologe Goff und Rudolph Schindler erfolgreich von Großaufträgen ferngehalten hat, wurde seine Homosexualität in den homophoben USA dagegen nicht zum Problem. Sexuelle Orientierung ist also keine Antwort auf die Frage. Aber lässt sich an ihren Bauwerken etwas ablesen?